Nirgendwo leben in Deutschland so viele unterschiedliche Konfessionen wie in Berlin. Jede von ihnen meint, sie würde den wahren Gott anbeten. Irgendwie abstrus, denn in den Straßen der Stadt kursieren die unterschiedlichsten Ansichten zum Thema “Glauben”.
von Maike Hansen
In Berlin stehen Synagogen neben Kirchen, schräg gegenüber eine Moschee. Willkommen in der Hauptstadt! Hier kann jeder glauben, was er will! 21,5 Prozent sind protestantisch, 10 Prozent Katholiken. 6,5 Prozent glauben an Allah, 0,6 Prozent an wen ganz anders und knapp 60 Prozent an Garnichts. Das Problem: Alle träumen in Superlativen. Jeder für sich besitzt den höchsten Halbmond, das breiteste Kreuz, den hellsten Davidstern. Alle meinen, sie hätten die Weisheit mit Weihwasser getrunken.
So werden die Wege von Tür zu Tür länger. Nachbarschaftsstreitigkeiten können sich hinziehen. Über 500 Jahre lud die evangelische Kirche die Katholiken nie zu ihren wichtigen Jubiläen ein. 1617, 1717, 1817 und 1917 war das Lästern über die Jünger des Papstes eine gerngesehene Tradition. Diesen Mai rücken die Konfessionen zum Kirchentag anlässlich des 500-Jahre-Luther-Jubiläums eng zusammen. Katholische Gemeinden beherbergen evangelische Gäste.
“Atheisten zeigen all diesen alten Geschichten einen Vogel”
Dass Genesis Teamwork war, möchte niemand so richtig glauben. Islam, Judentum und Christenheit können sich zumindest auf eine Dauer von sechs Tagen einigen. Ebenso evident scheint für alle, dass der erste Mensch ein Mann war. Buddhisten schwören hier eher auf Energien und empfinden den genauen Vorgang der Schöpfung als nebensächlich. Atheisten zeigen all diesen alten Geschichten einen Vogel: Den Darwinfinken als Gallionsfigur der Evolutionstheorie.
Der Wettbewerb im Beweisen des Unbeweisbaren stört zum Glück niemanden.Vielmehr freuen sich die meisten über die lauten Debatten am Gartenzaun in der Berliner Nachbarschaft. Das Thema “Glaube” beschäftigt Besucher und Bewohner der Stadt. Wir haben am Wittenbergplatz gefragt: